Heidenspektakel - Ein Stück Bibel
Das GT am 30.06.2003 zur Premiere:
Die Bibel als Nummernrevue
Mammutprojekt im ThOP: "Heidenspektakel"
Rekordverdächtig: Ein ganzes Rudel Regisseure hat sich
an dem Projekt "Heidenspektakel" des Theaters im OP
zum Jahr der Bibel beteiligt. Die Zahl der Akteure auf der Bühne
liegt jenseits der 20. 18 Szenen aus der Bibel hat dieses Mammutteam
in einer zweistündigen Inszenierung auf die Bühne
gebracht. Die einzelnen Szenen wurden den Spielleitern zugelost.
Die Premiere begeisterte das Publikum am Sonnabendabend.
Statt Eintrittskarten gab's erstmal gezeichnete
Tiergesichter. In der Menge der Besucher sollten sich Pärchen
der gleichen Gattung finden. Denn Einlass gewährte Noah,
und der achtete streng darauf, dass niemand alleine durchhuschte.
Mit wildfremden Menschen neben sich musste allerdings niemand,
der nicht wollte, die Bibel-Revue anschauen. Innerhalb der Arche
ThOP organisierte sich die Besucherschar wieder nach eigenem
Gutdünken. Was folgte, verlief ähnlich chaotisch wie
der Start, was nicht wirklich verwunderte. Die Bibelstellen
wurden dem Heer der Regisseure zugelost, jeder interpretierte
die Textvorlage und inszenierte nach eigenem Verständis
von Theater.
Erst kurz vor der Premiere wurden die Szenen in
eine Abfolge gebracht. Das heißt: Einerseits ließe
sich feiern, dass vermutlich nie derart viele verschiedene Regieansätze
an einem Abend im Verlauf eine Stückes auf einer Bühne
zu sehen waren. Andererseits gelingt auf diese Weise natürlich
keine homogene Einheit. Was kommt, muss Nummernrevue bleiben.
Und die bereitet meistens auch Vergnügen.
Hübsch absurd
So "kurz, radikal und platt", wie es
das sehr informative Programmheft verhieß, verliief die
Schöpfung, mit der die Bibel wie auch das Stück beginnen.
Ein "Tank-Girl" und ihre Rebellen stürmen kampfbereit
die Bühne und rattern runter - hübsch absurd und mit
leichter Hand inszeniert. Kain erwürgt anschließend
Abel, weil er sich aus der Herde der Menschen ohne Entscheidungsfreiheit
lösen will. Gott ist diesmal nicht gütig, sondern
lässt den Aufmüpfigen am ausgestreckten Arm verhungern.
Alle werden ihn künftig meiden, der Tod als Erlösung
ist ihm nicht vergönnt - dramatisch-philosophisches Theater.
Glänzende Comedy
Komödiantisch wird der Fall der Mauern von
Jericho vorbereitet. Josua ist als Kriegsherr überfordert,
Gott irgendwie auch. Ein Künstler-Casting soll schließlich
Klärung bringen, wie die Mauern zum Einsturz gebracht werden
können.
Drei Szenen, drei Genres, weitere gesellen sich hinzu: Singspiel,
von Anja Kietzmann und Christiane Warnecke mit erstaunlich ausgebildeten
Stimmen klassisch vorgetragen; Comedy, in der Denis Bühler
mit der Geschichte des Elias glänzt; Tanztheater, das mit
eher flauer Symbolik und gar zu schlichten Effekten dramatische
Apokalypse vermitteln wollte.
In einer über Lautsprecher eingespielten Straßenunmfrage
äußerten sich schließlich Menschen zu der Geschichte
von Judith, deren körperlicher Einsatz zur Rettung ihres
Volkes mit dem abgeschlagenen Kopf ihres Gegners endete. Volkes
Stimme ernannte sie teils bewundernd, teils mit Abscheu zur
ersten Feministin. Und Sodom und Gomorra verortete Thomas Müller,
der den unterhaltsamen Text dazu verfasst hat, tatsächlich
im Zuschauerraum - womit wir auch noch die Publikumsbeschimpfung
erlebt haben.
Peter Krüger-Lenz