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Und wo ist Dieter?

[presse]


Panoptikum der Peinlichkeiten
von Jörg Barke, Göttinger Tageblatt, 3. April 1998

Das Grauen hat viele Namen: Reschenköter, Schnuselberg, Tante Ursel. Und das geht so: Reschenköters geben eine Party. Schnuselbergs kommen zu Besuch. Das Unheil nimmt seinen Lauf. Ein Pfarrer, neurotische Nachbarinnen und sonstige Familienmitglieder kompletieren die Katastrophe. Und der Party-Service bleibt aus.
Mit seiner neuesten Produktion "Und wo ist Dieter?" hat das studentische Theater im OP tief in den Party-Plüsch einer spießigen deutschen Mietwohnung geschaut. Jürgen Stenzel, der nicht nur Regie führt, sondern das Stück auch geschrieben hat, nennt es im Untertitel etwas martialisch-kryptisch "Ein Theaterradau für Uneingeweihte". Das Stück ist um Längen besser als sein Untertitel.
Es bietet ein Panoptikum der Peinlichkeiten. Hier geht einfach alles schief: Die Tischreden enden im Nirgendwo, und dort ungefähr dürfte sich auch das beim Partyservice bestellte Essen befinden. Kurz: Es ist alles wie immer. Opa schläft, Oma ist verwirrt und die Tante Alkoholikerin, die Männer saufen sich zu, die Kinder verziehen sich und die Frauen geben sich Mühe, Haltung zu wahren: Wir wollen jetzt mal ausgelassen sein! Mit viel Gespür für Pointen, Detail und die kleine, fiesen Pannen und Peinlichkeiten des Alltags, die so bekannt vorkommen, hat Stenzel dieses Szenario gestaltet.
Das Ensemble steht da kaum zurück. Die beiden Familien machen sich es im guten, den Raum klug nutzenden Bühnenbild zwischen Siebziger-Jahre-Tapeten und blumengemusterten Sesseln unbequem. Herr Reschenkötter (Dirk Opitz) ist ein Mann, wie er im Bilderbuch steht: mit Hosenträgern, Koteletten und Hang zum Fußball. Frau Reschenköter (Anja Kütemeyer) trägt eine schöne Bluse, ist um Tischkarten, Stühle und überhaupt vieles bemüht.
Von der Gastfamilie hat Ulrich Gohlke als Vater seine stärksten Szenen bei höchstem Alkoholpegel. Seine Frau ist ausgesprochen um einen elaborierten Sprachcode bemüht. Dieser mißlingt ihr aufs Herrlichste: Kein Fremdwort, kein Zitat und kaum eine Satz stimmt - Anja Kramer scheint für diese Rolle wie geschaffen.
Die schauspielerischen Leistungen sind durch die Bank gut. Von den Nebenrollen ist noch Annette Brimmer als keifender weiblicher Wischmob von nebenan hervorzuheben. Der Pfarrer (Heiko Siebert) spricht nur in gereimten, unglaublich schlechten Lyrismen. Außerdem blockiert er stundenlang das rosa Klo.
Und auch am Ende ist eben alles wie im richtigen Leben: Das Essen kommt immer dann, wenn man keinen Hunger mehr hat - außer wenn man Zuschauer ist.


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