Wachen! Wachen!
- Theaterstück nach Terry Pratchett -
Presse


Christina Rademacher, Göttinger Tageblatt vom 20.07.1998


Richtig falsche Welt

Man kann ja Dinge einfach mal auf den Kopf stellen und gucken, wie sie dann aussehen. Eben das tut Terry Pratchett in seinen "Scheibenwelt"-Romanen. Für Diebstähle gibt es eine Quote, die zu erfüllen ist. Zwerge sind nicht klein, Zauberer können nicht zaubern. Und die Welt ist eine Scheibe.
Wirklich und erfunden, richtig und falsch, gut und schlecht entlarvt Fantasy-Autor Pratchett mit listiger Leichtigkeit und ohne bemühten intellektuellen Tiefgang als recht willkürliche Begriffe. Um Fans braucht sich der Brite nicht zu sorgen. Was sich ganz abstrakt darin zeigt, daß er wohl einer der erfolgreichsten Autoren der (wirklichen) Welt ist. Und ganz konkret darin, daß sich bei der Premiere von "Wachen! Wachen!" nach einem Roman aus der "Scheibenwelt"-Reihe die Zuschauer in der Göttinger Musa drängten. Und dort auch blieben, obwohl die Inszenierung mit knapp drei Stunden Länge reichlich lang geraten ist. Von der einen oder anderen Szene hätte sich das Ensemble sicherlich ohne große Verluste trennen können.

Davon abgesehen, ist dem Regieteam eine muntere Inszenierung gelungen, die vor allem auf den Sprachwitz der Texte und die Vorstellungskraft der Zuschauer setzt. Regisseur Ralf Beuermann und Koregisseur Nathanael Busch haben mit Jakob Schmidt die Bühnenversion von Stephen Briggs für die deutschsprachige Aufführung bearbeitet. Die Requisiten bringen die Akteure selbst zu ihren Auftritten mit: ein alufolienstrotzendes Schild oder einen plüschig-putzigen kleinen Drachen. Ansonsten bleibt die von dunklen Vorhängen umgebene Bühne leer.

Wackere Mannen
Der große, fliegende Drache, der die Hauptstadt der richtig falschen Welt bedroht, läßt seine Schwingen lediglich akustisch über die Bühne flappen. Um die Bewohner von der Gefahr zu befreien, muß wohl oder übel die Nachtwache ran. Artus Achterberg verleiht dem Hauptmann Mumm jungenhafte Züge, auch in seiner tolpatschigen Zuneigung zu Lady Käsedick (Sara Busch mit komischer Würde). Bei militärischen Angelegenheiten verläßte er sich lieber auf seine wackeren Mannen: Feldwebel Colon (Peter Wagner), Obergefreiter Karotte und Korporal Nobbs.

Kai Blottnitz spielt den jugendlich-naiven, moralisch vollkommen aufrechten Obergefreiten mit entsprechender Körperhaltung und strengem Gesichtsausdruck. Einen gelungenen Gegenpart bildet Kirsten Leuschner als ebenso erfahrener wie buckliger Korporal: Mit großem komödiantischen Talent und erstaunlich locker schiebt sie sich schlurfend, krächzend und kratzend über die Bühne.

Die Nachtwache hält die Handlung mit ihren verzweifelt-komischen Bemühungen zusammen. Aus dem übrigen, großen Ensemble ist Bettina Kuhn als schön sächselnder Bruder Pförtner hervorzuheben. Etwas blaß bleibt Klaus-Peter Jordan als böser Patrizier und Boß des Ganzen.

Die Zuschauer bekommen als Programm ein kleines Lexikon an die Hand. All die Dinge der Scheibenwelt werden darin vom Kopf wieder auf die Füße gestellt. Oder ist es umgekehrt?

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