Kritik

Winnetou und der halbe Abt

Göttinger Tageblatt vom 10.11.2000

Ein Bild für Manitou und die anderen Götter

Von Julia Wahren

Ja, es gibt bestimmt nur einen, der eine Bisamratte mit einem Tritt kastrieren kann. Da hat Old Shatterhand bestimmt Recht. Es ist der große dicke Winnetou, Häuptling der Apachen, der mit einem Einkaufswagen voller Plunder durch die Prärie zieht und immer auf ein gutes Geschäft scharf ist. Oder auf was zu essen. "Lecker!" raunzt er dann, und jeder im Publikum weiß, woher er seine betörend umfangreiche Figur hat. Ein fantastischer Held für Lars Wätzold, der das herrlich dämliche, zum Davonlaufen und Wiederherkommen alberne Stück "Winnetou und der hal be Abt" geschrieben und inszeniert hat. Am Mittwoch hatte es Premiere im Theater im OP.

Unmöglich, alle Spitzen und Plattheiten zu nennen, die Wätzold und sein neun Helden und zwei Heldinnen starkes Schauspielerteam auffahren. Eine grauenvoll schlechte Gangstergeschichte mit entsetzlich blöden Gangstern ist gnadenlos verwurschtelt mit Werbespots, echter, herzwärmender Winnetou-Musik, Reich-Ranicki Fernseh-Kolportage und "Ein bisschen Frieden". Dafür toben die elf Komiker durch alle Ecken des alten Hörsaals und der Prärie.

Ein Bild für Manitou

Manche Witze sind noch dümmer als die anderen - was soll's? Manche Figuren sind besser getroffen, andere schlechter - wen schert's? Herausragend spielt (und singt) Katrin Richter vom Jungen Theater die Nonne Heilige Helga, Thomas Müller gibt zuckersüß den Edi Arent, Eberhard Kreinse glänzt dauerzwinkernd in der Riege der depperten Ganoven. Stefan Graën liefert den unbestechlichen Helden Shatterhand. Na, und Winnetou selbst, Rolf-Dieter Franzen, ist ein Bild für Manitou und die anderen Götter.

Schade nur, dass seine Begegnung mit dem halben Abt so kurz ausfällt. Der liegt in einem Kindersarg (für einen großen hatte die Heilige Helga kein Geld) und soll an einem heiligen Ort heilig begraben werden. So ein halber Abt ist aber nicht nur für einen knackigen Titel gut. Wo auf offener Bühne der alte Potter bei einem Raubüberfall seinen Blinddarm lassen muss, kann es doch kaum schaden, wenn man den Sargdeckel ein wenig lüftet.

Wo auch immer der halbe Abt bleibt: Pistolenballern und ein schwuler Häuptlingssohn, haufenweise abgedroschene Sprüche, Nonnenfrust und "ein Kilo Hostien mit dick Nuttella" sind bis zur Erschöpfung lächerlich, grausig böse, schauerlich komisch, genial bescheuert.