Zum Stück
Kritik des GT vom 29. März 2005
Heimatrevue der feinen, abseitigen Art
Klaus Bergs Stück "So ein Pony, das kann alles" wurde am Sonnabend im Göttinger Theater im OP uraufgeführt. Es macht die bedingungslose Brüchigkeit jedweder Idylle grausam deutlich.
Dass mit dem sechzigsten Jahr des Kriegsendes die Immenhof-Filme ihren 50. Geburtstag feiern können, liegt weniger in einem Zufall begründet als in den Strategien des sich selbst mästenden und frisch wiederbewaffneten Wirtschaftswunderlandes. Den Faschismus galt es zu vergessen, zuzubuttern mit Idylle. „Wer wiederkäut, wird fett”, heißt es folgerichtig im Stück Klaus Bergs. Und so soll die Vergangenheit ruhen wie die vielen Toten, die sie forderte.
Vielschichtig und assoziativ ist das Stück aufgebaut, das die Geschichte des Immenhofs mit dem „Trippel-Trappel-Pony”, seinen „Singin‘ and Dancing Pony-Girls” nur als gerinnende, erstarrende Kruste nutzt. Vor und hinter ihrer Kulisse rangieren mit- und nebeneinander unterschiedliche Ebenen, Abgründe lauern überall. Der kluge Einfall, eine Bühne in der Bühne zu integrieren, in deren unterteilten Fächern nicht nur Oma Jantzen mit Doktor Pudlich um ihren Ponyhof weint, sondern auch die kriegsversehrten Heimkehrer Fritz und Karl von einer anderen Warte aus Klischees Ekliges zum Besten geben und später ihre hakenkreuzgeschmückten Liebchen (Andrea Stanze, Rose Wimmer) finden, gibt Spielraum, der im Off gar bis ins Heute führt. Die mit lapidarem „Hoppala” von Reitlehrer Von Roth (schön fragwürdig: Peter Blanke) zu überwindende Armbinde mit dem Davidstern lässt ebenso erstarren wie etliche Opfer (Catharina Bonnemann, Irina Spiegel) samt ihrer Verletzungen mehr und weitere grauenvolle Vermutungen.
Doch Berg und Dramaturgin Gabriele Davidsmeyer gelingt es, die vielen Ebenen, Abziehbilder und sich öffnenden Räume mit schnellen Wechseln, minimalem Bühnenbild und genauen Charakteren hervorragend zu brechen. Ein zwischen Hamlet und Michael Jackson oszillierender Ethelbert (Winfried Goos) mit Dick (bodenständig: Anette Bondy), "The Devils's Lonely Pony Horse Shoe Band" samt Mysterious Ralf (Markus Streubel) und Hellsister Gertrud tun ihr Übriges, allesamt gesangsstark. Mit dieser Uraufführung bietet das ThOP eine großartig morbide Heimatrevue, mal plakativ, dennoch aber von der feinen, abseitigen Art, Erinnerungskultur ohne Wegsehen.
Von Tina Lüers