Toter
Gatte unter Bärenfell und Sofakissen
Joachim
F. Tornau,
Göttinger
Tageblatt vom 19. August 1999
Der alte Mann weiß, was er tut.
Den Liebestrank, der ewige Liebe und ewige Treue verspricht, verteilt
er fast für umsonst. Denn für ihn, der er auch mit anderen
problemlösenden Flüssigkeiten handelt, ist die "love
potion" eine Investition in die Zukunft. Eines Tages, so
ist er sich sicher, werden seine Kunden zurückkehren - und
nach dem erlösenden, unauffällig wirkenden (und teureren)
"life cleaner" verlangen.
John Collier schrieb diese "Chaser"
betitelte Szene all denen ins Stammbuch, die den Glauben an das
nie endende Glück rätselhafterweise noch nicht verloren
haben. Der English Drama Workshop platzierte sie an zweiter Stelle
seiner Szenenfolge "Accidents", die als Inszenierung
von George du Sel am Dienstag erstmals im Theater im OP zu sehen
war. So wie die Liebe ein Unfall sein kann, ist es mitunter eben
auch der Tod.
Und dabei hatte alles so romatisch angefangen.
In "A Fable" von Robert Fox, als klavierbegleitete Anekdote
zur Einstimmung vorgetragen, herrscht noch eitel Sonnenschein:
spontane Liebe, spontaner Heiratsantrag, spontane Zustimmung (nach
Klärung der Vermögensverhältnisse freilich und
in der U-Bahn). Doch dann folgt die Desillusionierung. In James
Saunders' "A Slight Accident", dem dritten und wesentlichen
Teil der Collage, herrscht Ehe.
Penelope hat ihren Mann erschossen,
denn irgendwie muss schließlich Abwechslung in den Ehealltag
gebracht werden. Nicht ohne Grund hält Rodger, der Nachbars-Ehemann,
Routine für die einzige Überlebensgarantie. Ein Unfall?
Eine bewusste Tat? Egal. Auf jeden Fall aber lästig, denn
ein toter Gatte unter Bärenfell und Sofakissen will mit lebendigen
Nachbarn auf dem Sofa nicht recht harmonieren.
Unaufdringlich penetrant
Zutiefst britisch, zutiefst schwarzhumorig,
voller Missverständnisse, Hysterie und sorgsam bewahrter
Contenance präsentiert sich die Ehe-Drama-Comedy in der Inszeinierung
des ThOP. Susanne Prinz ist eine hochtourig sprechende und handelnde
Penelope, Florian Hallaschka ein bieder buchhaltender Nachbar,
dem Schnauzbart, Seitenscheitel und Strickjacke zu den unveränderlichen
Insignien seines geordneten Daseins geworden sind. Dorothe Scharf
schließlich spielt Camilla, des Nachbarn Ehehälfte,
als unaufdringlich penetrante Neurotikerin, unaufhörlich
mit der Schleife ihrer Bluse spielend und die Worte ihrer Gegenüber
mit den eigene Lippen mitformend, als würde ihr das das Verstehen
erleichtern.
Nur wenig mehr als eine Stunde dauert
"Accidents", doch diese eine Stunde gestaltet sich ausgesprochen
unterhaltsam. Frisch Verheirateten allerdings sollte vom Besuch
freundlicherweise abgeraten werden.
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